2008/08 – Calgary – Keine Zigarre in den Rockies

31 Aug

 

calgary0808 01
Überall in Calgary zu sehen

August 2008

Der letzte Flug des Monats führte mich nach Calgary, im Westen Kanadas in den Rocky Mountains gelegen.

Das ist eines der Ziele die nie vermisst habe. Und jetzt erst recht nie mehr vermissen werde.

In den frühen 80’er Jahren hatten wir dort einen Wochenstopp. An sich attraktiv, denn wo hat man schon eine Woche lang frei. Aber schon da mochte ich die Stadt nicht. Gesichtslos und ohne Charme oder Attraktion wenn man vom Fernsehturm und der jährlichen Stampede absieht – wobei ich mir nicht sicher bin ob es den TV Turm damals bereits gab.

Lediglich das Umland hatte ich als sehr schön in Erinnerung. Banff, Lake Louise und die Rockies.

Hier fuhr ich mit Kollegen hin die Ski fahren wollten um nicht allein in der öden Stadt zu bleiben und sah mir morgens die Elche an die auf Futtersuche an die Bergkabine kamen.

Aber persönlich finde ich Berge, Schnee und Wälder nicht besonders attraktiv, und Elche auch nicht gerade schöne Tiere, ausser als Steak auf dem Teller.

Also war Calgary für mich schon damals eine Art Strafflug.

Ich hätte nicht gedacht dass es schlimmer kommen würde. Aber es kam.

Wir flogen mit A-330 zweistrahlig den langen Flug. Bei full house, also mit 217 Passagieren plus 14 Crew, kamen wir auf ein Startgewicht von 216 Tonnen bei einer Flugzeit von 9h15.

Der Flugweg sollte uns sehr weit nördlich führen. Über Hamburg, Stavanger, die Jan Mayen Insel, Grönland bei Thule bis wir knapp 1.700 km nur südlich des Nordpols waren als wir die Linkskurve Richtung Calgary machten. Das nennt sich Grosskreis Navigation und ist die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten.

calgary0808 02
Über Grönland

Bei minus 8 Stunden Zeitunterschied und 9h15 Flugzeit ergibt es sich dass wir um 10h15 in FRA starteten und bereits um 11h30 Ortszeit in Calgary, bei strahlender Sonne und sehr warmen Temperaturen landeten. Ein schöner Anflug mit den Rockies im Hintergrund.

calgary0808 06 frenz h
Calgary und die Rockies – Foto Frenz H.

Im Terminal äusserst freundliche Menschen. Sie nennen sich Volunteers und helfen den ankommenden Passagieren. So fuhren sie auch die Crew im Elektrokarren vom Gate zur Passkontrolle. Nette Geste, ich flirtete mit Helen, eine rüstige Rentnerin die uns fuhr und freute mich auf das Feierabend Ritual : kaltes Bier und eine Zigarre.

calgary0808 03
Nette Volunteers

Umgezogen und etwas durch die Stadt, die mittlerweile aufgrund des Ölbooms mehr Hochhäuser hat.

Die Innenstadt nett, eine Fussgängerzone mit Pubs, Restaurants und open air Kneipen.

calgary0808 08
Calgary
calgary0808 09
Calgary
calgary0808 10
Calgary
calgary0808 11
Walking the Iguana in Calgary

Aber : es darf nirgendwo mehr geraucht werden. Nicht draussen und erst recht nicht innen. Nicht open air und nicht vor oder neben Ein- oder Ausgängen. Also einfach nigendwo.

Ich frage im Hotel nach einer Cigar Lounge und man bietet mir eine Sitzbank draussen neben dem Taxistand. Ich frage den Barkeeper der Hotelbar und der lacht mitleidig. Wenn ich nicht einen Kumpel hätte der einen Patio oder besser noch gleich eine Ranch hat, könnte ich es vergessen.

Sehr ermutigend.

Nachdem ich mir die Füsse umsonst wund laufe um Lachs zu finden – man schickt mich zu einem Laden ausserhalb der Innenstadt der seit Juni bereits umgezogen ist, setze ich mich auf eine Parkbank und rauche in der Sonne eine Panatela. Neben mir einige Leute die ihre Zigaretten und die Sonne geniessen. Ich bin in die Tageszeitung vertieft, als ich wüste Beschimpfungen und das Wort „cigar” höre. Ein offensichtlich obdachloses und alkoholisiertes Pärchen etwa 15 Meter entfernt gegenüber nimmt Anstoss an meiner „Zigarre”. Ob es sie stört oder ob sie lediglich neidisch auf die Zigarre sind, will ich nicht wissen. Ich ignoriere sie obwohl deren Gezeter selbst meinen Nachbarn offensichtlich zu peinlich/aggressiv ist.

Ich rauche zu Ende, aber fühle mich überhaupt nicht wohl. Was für ein trostloses Land und eine lausige Stadt. Kein Wunder, dass ich diese „Lebensqualität” fast genau 25 Jahre lang nicht sonderlich vermisst habe.

Mein Eindruck ist dass man den Einheimischen anmerkt dass die Winter hier lang sind und ohne viel Unterhaltung oder Abwechslung, abgesehen wohl von den vorhandenen Geschwistern, Cousinen oder dem Viehbestand im Stall. Das macht agressiv und verbietet Spaß und Freude bei anderen.

Als meine Crew sich zum Bier trifft, passe ich. Auch sie haben kein Verständnis dass man hier nicht mal im Freien rauchen darf, was mich beruhigt. Ich bleibe stolzer Europäer. Und Dank des ANS am Vortag hatte ich meine Zigarren”ration” bereits geraucht …

Um 18h, die Sonne scheint noch, lege ich mich schlafen. Um 02h30 (Gottseidank 10h30 in meinem Körper und fast schon wach) ist die Nacht vorbei, nicht zuletzt Dank einer lautstarken Party auf meinem Stockwerk. Alkoholexzesse in der Öffentlichkeit sind anscheinend nicht so schlimm wie Rauchen.

Später schlafe ich noch ein paar Stunden und bin dann gegen 07h wach und hungrig – immerhin sagt mein Magen dass es jetzt 15h ist.

Das Frühstücksbüffet ist gewaltig, frisch und sehr lecker. Ich lasse mir ein Omelett „mit Allem” braten, also mit Schinken, Gemüse, Pilze, Lachs und Käse. Dazu noch Pancakes mit Maple Syrup und noch etwas süsse Teile zum Kaffee. Einfach göttlich mein Mittag- und fast Abendessen. Der zweite Pluspunkt für die Stadt neben den rüstigen Airport „Volunteers” …. mehr Punkte wird sie auch, bei aller Liebe, nicht bekommen.

Es ist Sonntag, die Sonne scheint, warm, die Stadt ausgestorben, und so setze ich mich im Schatten des TV Towers auf eine Bank und rauche eine Panatela zur Zeitung. Während ich mich frage was die Menschen hier in den 8 Monaten Kälte und Winter machen werde ich zwei Mal um Geld angebettelt, sehe ich drei Männer mit Einkaufskarren die Mülltonnen nach Pfandflaschen durchsuchen und noch weitere 4-5 andere die mit Abfalltüten die Strassen nach Verwertbarem absuchen. Und das unter dem TV Turm in der Stadtmitte. Unglaublich.

calgary0808 05
Calgary Tower
calgary0808 04
Calgary Tower
calgary0808 07 frenz h
Unter den Schuhen unser Hotel – Foto : Frenz H.

Mir war schon in Toronto und Vancouver die grosse Zahl an Bettlern und Obdachlosen „Street people aufgefallen. Hier in Calgary ist es anscheinend die Mehrheit, auch wenn die Vororte adrett sind und die Firmen Schilder haben : We hire.

Der Flugplan hat Mitleid mit mir und so ist sehr früh vormittags wieder Wake Up für den Rückflug.

Calgary wird mich ewig vermissen müssen.

calgary0808 12
Abflug aus Calgary
calgary0808 13
Abflug aus Calgary

ch habe mich selten so auf Frankfurt und unsere Rauchverbote gefreut.

Jetzt ist wieder Freizeit, ein Internationales ANS und eine Woche Spanien vorgesehen.

Copyright Nino

 

Comments are closed.