2008/02 – Bangalore – Zwischen Software und Quick Step

11 Feb

 

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Auf dem Granithügel, Bangalore
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Das Parlament von Karnataka, Bangalore

Bangalore – Februar 2008

Bangalore, Indiens Hauptstadt der IT Branche, Software Schmiede, Indiens Silicon Valley und leuchtende Zukunft.

Am Flughafen merkt man jedoch davon gar nichts. Im Gegenteil. Hier geht es noch bürokratischer zu als in Bombay. Und dazu noch herrlich altmodisch. So herrlich dass es einfach nur enervierend ist.

Nachdem sich die Crew bereits an Bord in eine Passliste mit vierfachem Durchschlag eingetragen hat, dazu noch eine zweifache Zollliste ausgefüllt hat, muss sich jeder einzeln noch mal mit Passnummer in eine Kladde eintragen. Die Kladde könnte noch vom Britischen Raj stammen. Muss ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Bürokraten sein. Die Kladde war auch beim Abflug auszufüllen, nachdem unsere Formularkopien alle nötigen Stempeln bekommen hatten. Von wegen Silicon Valley, hier ist noch, Formular-mässig gesehen, tiefstes Mittelalter .

Aber, ich wollte ja wieder mal etwas Neues sehen, Bangalore kannte ich nicht und in Indien war ich lange nicht mehr. Bombay hatte mir gefallen, warum nicht etwas mehr Indien ?

Die Luft ist gut um 02h als wir es endlich schaffen das alte, viel zu kleine Terminal zu verlassen. Die Temperatur um die 24 Grad, es ist jetzt die kühle Jahreszeit – also die Beste. Tagsüber geht es auf 30 bis 32 Grad hoch. Auch nicht schlecht.

Das Hotel ist fantastisch, wie ich es von allen Oberois kenne. Spitzenservice, Luxus und viel Grün. Eine Oase wie ich noch merken würde.

Wir treffen uns noch auf ein Bier in einem Executive Boardroom da die Crewlounge renoviert wird und ich rauche meine Feierabendzigarre am Tischkopf, als Vorstand sozusagen. Hätte ich nicht der Firma noch ein Jahr Verlängerung gegeben, wäre dies eine meiner letzten „Sitzungen” gewesen, letzter Monat. Aber für zwei neue Flugbegleiterinnen ist dieser Flug der erste gewesen, und sie freuen sich überschwänglich dass alles so gut geklappt hat und sie plötzlich nach 8 Stunden in Süd Indien sind, die Schulung sie so gut vorbereitet hat und die Stimmung so gut ist. Ansteckend, diese Freude.

Ich freue mich über ihre Freude und Engagement und denke an meine eigenen Anfänge, meinen ersten Flug, meine Scheu, meine Aufregung, wie gut es tat mit älteren KollegInnen zusammen zu sein und eine „Crew Identität”, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu haben.

Ich bin durch die Fliegerei und dem Umgang mit jungen Menschen selbst jung geblieben und mir kommt es manchmal so vor als sei mein erster Flug letzte Woche gewesen.  Unser Fliegerleben ist sehr rasant, und jetzt nach 33 Jahren habe ich Angst dass ich nach dem Aufhören vielleicht genauso rasant alt werde. Ich denke nicht – aber es wird sich zeigen.

Jetzt wird erstmal für Morgen geplant und wir sind 7 die eine City Tour von Bangalore unternehmen wollen. Eine Kollegin, ehemalige Reiseleiterin, nimmt die Planung in die Hand, und bevor ich drei Zigarrenzüge gemacht habe, hat sie Kleinbus, Fahrer und Führerin organisiert, und das um die schlafende Uhrzeit. Kompliment !

Allerdings steht die Abfahrtszeit mit 10h30 dem Körpergefühl entgegen. Nach wenigem Schlaf geht es also in den Trubel der Stadt.

Zunächst ist es Stau und Gehupe, weniger Trubel, der uns erwartet. Ein ständiger Stau und Unordnung verbunden mit Lärm und haarsträubender Fahrweise.

Die Luft ist nicht mehr gut sondern nur noch staubig und voller dreckiger Abgase.

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Bangalore
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Bangalore

Als erstes geht es zum Parlament des Bundesstaates Karnataka, dessen Hauptstadt Bangalore ist.

Allerdings hat es nicht viel zu sagen, denn der Staat untersteht der Zentralregierung in Delhi und das Parlament ist aufgelöst.

Eine wahrhaft „göttliche” Inschrift entdecke ich am Hauptgebäude : Government Work is God’s Work.

Gegenüber dem Parlament ist der Gerichtshof, hier verspricht die Inschrift : Justice for All – Real and Speedy.

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Government work
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Pineapple work

Nun ja, göttliche Sprüche.

Weiter geht es in den Cubbon Park, eine Parkanlage von 300 Acres noch aus der Britischen Zeit.

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Cubbon Park
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Cubbon Park
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Cubbon Park

Bangalore nennt man auch Garden City, das Klima ist angenehm, bis auf die heissen Sommer.

Die Stadt ist aus dem 15 JH, und zu einem Drittel besteht die moderne Industrie aus Flugzeugbau und Militärindustrie, daraus entwickelte sich der Technologie Standort der es heute geworden ist.

Einwohnerzahl sind 8 Mio., der Staat hat 55 Mio.

Einst bekannt als Rentnerparadies und Frischluftoase ist Bangalore Indiens 5-grösste Stadt.

Rund 150000 Softwarenetwickler produzieren hier in mehr als 250 Unternehmen ein Drittel des gesamten indischen IT-Exports. Es ist die Hauptstadt der Elektronik.

Bangalore soll auch die grösste Anzahl Pubs in Indien haben, allerdings schliessen sie alle per Gesetz um 23h.

Es gibt grosse Granitvorkommen hier und das ist ebenfalls ein Exportschlager. Das Parlament und die vielen öffentlichen Gebäude sind aus Granit.

Wir steigen später im Lalbagh Park aus dem 18 Jahrhundert auf einem dieser Granithügel und überblicken die Stadt im Dunst.

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Granithügel

Weiter geht es zum Great Bull Temple, dieser ist 500 Jahre alt und angeblich soll der Granitbulle in der Zeit gewachsen sein.

Wir ziehen uns die Schuhe aus und gehen in den Tempel. Gegen eine kleine Spende bekommen wir einen roten Punkt auf der Stirn vom Priester und umrunden den Bullen. Die Inder beten.

Als wir später durch die Innenstadt fahren sehe ich die Heiligen Kühe vor vielen Häusern in der Strasse liegen.

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Great Bull Temple
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Great Bull Temple
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Great Bull Temple
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Great Bull Temple

Mittagessen ist angesagt, und unsere Führerin empfiehlt uns ein Nordindisches Restaurant mit gutem Büffet für umgerechnet 5 € wo sich normale Angestellte aus den Büros mittags treffen.

Nach einem Teller nehme ich mir einen Kaffee und rauche eine Panatela, irgendwie liegt mir das Essen nicht. Komisch, wo ich doch alles esse und Indische Küche mag.

Luxuriöser geht es dann im Taj West End Hotel zu. Eine Indische Kollegin hatte mir hier die Blue Bar empfohlen, und ich wollte mir die Anlage anschauen. Ein Traumhotel in einer riesigen Parkanlage.

Die Blue Bar allerdings ist ein offener Bungalow, zwar elegant, aber nichts besonderes, es sei denn Bangalore’s Haut Volee trifft sich hier Abends – was ich nicht herausfinden werde.

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Taj West End Hotel
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Taj West End Hotel
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Taj West End Hotel

Höhepunkt der City Tour ist der Bangalore Palace.

Dieser, dem Windsor Castle nachgebaute Palast, gehört dem 26-ten Maharaja von Bangalore, der sich allerdings seit 30 Jahren mit dem Staat streitet. Daher ist der Palast auch seit 30 Jahren geschlossen ausser für Besucher, denn der Maharaja renoviert den Palast und die Besucher – sowie die Veranstaltungen von Messen, Ausstellungen und anderen events ( hier sind Elton John, Sting und die Rolling Stones aufgetreten ) die der Schlossherr im riesigem Palastareal veranstaltet sollen die Renovierungskosten tragen.

Allerdings möchte der Schlossherr zu den 4 € Eintritt, was viel ist für die 30 Minuten Reliquienschau, auch noch knapp 10 € Gebühr für’s fotografieren haben – Halsabschneiderei.

Selbst von aussen aus dem Auto darf nicht fotografiert werden, ein Gewehrbewaffneter Wächter schreitet sofort ein. So bediene ich mich hier einiger Fotos einer Kollegin die bereits dort war.

Viel gibt es nicht zu sehen. Oder doch : viele Fotos der Maharaja Sippe und deren glorreiche Vergangenheit zwischen Sommerfrische in Mysore, Tiger bzw. Elefantenjagd und Gartenparties mit Paraden.

Es hängt der Kopf eines riesigen Elefantenbullen über der Eingangstür, der angeblich den Tod von über 30 Bauern auf den Stosszähnen hatte. Aus seinen Füssen hat man Hocker gefertigt, aus seinem Rüssel einen Standaschenbecher. Makaber. Ansonsten einiges an alten Möbeln die in den Gemächern vergammeln, die Gemächer werden gemächlich renoviert und eine Schlosseigene Sari-Design und Fabrikation Abteilung die fotografiert werden durfte aber kein Foto wert war.

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Bangalore Palace
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Bangalore Palace – Rüssel & Füße des Elefanten

Es geht dann nach fast 6 Stunden wieder in die Oberoi Hoteloase, eine Zigarre und eine Mütze Schlaf – es war einfach zu früh heute.

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Zurück in der Oberoi Oase
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Oberoi Bangalore – Bar
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Oberoi Bangalore – Pool

Erfrischt und vom Mittagessen noch eigentümlich satt obwohl es so wenig war, will ich tatenhungrig auf eine Zigarre und ein Drink in eine der angesagten Bars der Stadt.

Es sind zwar nur 20 Minuten Fussweg von unserem Hotel in die erste Bar, das „13-th Floor” im Barton Centre, aber ich fluche bereits nach 5 Minuten.

Staub, Lärm, Gehupe, Bürgersteige voller Fallen oder auf denen Motorradfahrer den Stau – und die Fussgänger – zu umfahren versuchen, alle 100 Meter bietet dazu noch jemand seine ungebetenen Dienste an, es ist Chaos.

Nach einigen Fragen finde ich das Gebäude. Und hier muss ich mich beim Wachmann in eine Kladde eintragen um mit dem Aufzug ins 13-te Stockwerk zu fahren ! Vielleicht für die Nachwelt falls ich nicht mehr zurückkomme …

An der Eingangstür der Bar werde ich mürrisch abgewiesen. Es sei alles Nichtraucher und dazu noch 400 Rupees cover charge – zum Teufel damit.

Ich nehme mir jetzt einen Tuk Tuk und fahre damit in die zweite „angesagte” Bar, das „Zero Gravity” im Prestige Towers Bldg., im Tuk Tuk habe ich jetzt die Abgase auf Nasenhöhe und das Gefühl in einer Waschmaschine zu stecken, in Bangkok gefallen sie mir besser.

Das „Zero Gravity” soll eine Dachbar im 10-ten Stockwerk sein mit einem Pool, also open air.

Aber auch hier ist kein Reinkommen möglich, es stehen gleich zwei Türsteher vor der Lifttür und eine Schlange davor. Ich mache gleich kehrt, schlauerweise hatte ich dem Tuk Tuk Fahrer gesagt er solle warten, was er tat da ich ihn noch nicht bezahlt hatte, und lasse mich in das Oberoi Hotel zurückfahren.

Keine Stunde weg und schon begrüsse ich das Hotel als Rettungsanker. Ich setze mich in die offene Hotelbar im Garten, lasse mir ein frisches Kingfisher Bier zu einer Joya de Nicaragua schmecken und bin ausnahmsweise froh in einem Hotel zu sein. Ich gehe immer & überall gerne aus, aber hier scheint es Zeitverschwendung zu sein. Schade.

Noch ein Bier und eine Zigarre, komisch, ich habe immer noch kein Hunger, aber dafür ein komisches Gefühl.

Früh am nächsten morgen geht es los, ich schaffe es gerade noch auf die Toilette. Der Bangalore Quick Step,  so genannt in alter Erinnerung an derartige „durchschlagende Momente” wo Schnelligkeit wichtig war.

Es hat mich erwischt. Magenkrämpfe, Durchfall, Gliederschmerzen. Tablette. Ich schleppe mich noch zum Pool wo ich auf der Liege vor mich döse. Zwischendurch wieder der Quick Step zur Toilette. Allmählich wird es besser. Der freundliche Kellner bringt mir einen Ingwer Tee mit Honig und Gebäck. Noch Besser.

Nicht besser geht es mir aber beim lesen der Tageszeitung. Da steht dass in der Stadt die Gastroenteritis grassiert, verursacht durch verseuchtes Wasser und an die 1000 Menschen daran erkrankt sind, davon an die 80 im Krankenhaus sind von denen wiederum 2 an Cholera erkrankt sind. Danke, sehr ermunternde News !

Aber es geht langsam besser, ist wohl nichts Schlimmes und die Zigarre schmeckt halbwegs wieder.

Ich gehe noch einmal für eine Stunde raus in ein Kaufhaus, der chaotische, überfüllte, staubige Eindruck der Stadt bleibt haften.

Zurück im sicheren Hotelhafen gehe ich ins Bett. Nach 5 Stunden Schlaf wache ich auf und habe sogar etwas Hunger. Das Steaksandwich schmeckt, gerettet.

Dann ist auch schon Wake Up für den Rückflug, es geht in die Uniform und heim.

Mit viel Kamillentee geht es in 10 Stunden wieder nach FRA. Mein Bedarf an Indien ist jetzt wieder für die nächsten 15 Jahre gedeckt.

Ich freue mich auf meinen nächsten Flug, Beijing. Zum Chinesischen Neujahrsfest.

Weitere Fotos zu diesem Bericht :

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Bangalore

 

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Bangalore
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Great Bird Temple
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Great Bull Temple
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Strassentempel
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Alte Englische Augenklinik von 1913

 

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Bangalore
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Mittagessen im Punjabi Restaurant
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Akrobatenkind bettelt an der Ampel
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Werbeplakat für die Armee
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Relaxen in der Oberoi Oase

 

Copyright Nino

 

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